Literatur-Nobelpreis für Kazuo Ishiguro

Natürlich erzähle ich hier keinem etwas Neues, ich bin ja nicht die Süddeutsche: Kazuo Ishiguro hat gestern den Literatur-Nobelpreis bekommen. Aber der Nobelpreis für Literatur ist ja oft so ein waberndes Wesen. Physik, Chemie, Mathematik? Da kenne ich leider niemanden. Bei der Literatur, da kommt das ab und an mal vor. Da könnte ich sogar mal mitreden.

Nicht immer, das gebe ich zu. Orhan Pamuk hatte ich vorher schon gelesen. Mario Vargas Llosa auch. Und J.M. Coetzee hatte ich immerhin auf meiner Leseliste. Im letzten Jahr sorgte Bob Dylan als Gewinner für Erstaunen und Verwirrung. Geht es hier nicht um Literatur? Aber ja, Bob Dylan ist Lyrik. So funktioniert seine Musik nun mal, über den Text. Und eigentlich ist das ja auch egal, denn das Komitee des Literatur-Nobelpreises darf das ja selbst entscheiden. Die Welt schreit Haruki Murakami, und gewonnen hat Kazuo Ishiguro. (Ist Haruki Murakami mittlerweile eigentlich der Leonardo DeCaprio des Liternatur-Nobelpreises?)

Kazuo Ishiguro also, ein sehr guter, populärer und britischer Autor, auch wenn man das bei dem Namen nicht gleich denkt (also das mit dem britisch sein). Er ist einer, der sich gefühlt immer ein bisschen rar macht. Denn obwohl er in den letzten 35 Jahren einige Romane geschrieben hat, liegen zischen seinen größten Erfolgen immer eine Menge Zeit.
1989: Was vom Tage übrigblieb
2005: Alles, was wir geben mussten
2015: Der begrabene Riese
stehen in meinem Regal.

Ishiguro schreibt leise. Er entwirft in seinen Romanen Landschaften, die man beim Lesen vor sich sieht. Mit seinen Figuren durchlebt man Gefühlswelten, obwohl in vielen Momenten an der Oberfläche kaum etwas passiert. Und obwohl seine Bücher schwer auf die englischen Landschaften und ruhige Charaktere setzen, sind sie auch immer von der Handlung getrieben. Da kommen Wendungen um die Ecke, mit denen man nicht gerechnet hat, schockierend und traurig, und am Ende ist dann plötzlich klar, dass man es eigentlich immer wusste. Man war aber mit den Figuren immer viel zu tief drin in dieser Welt.

Von den drei Büchern, die ich im Regal stehen habe, war übrigens „Alles, was wir geben mussten“ (kurze Rezension hier) immer mein Lieblingsbuch von ihm. Heute würde ich mich vielleicht eher für „Was vom Tage übrigblieb“ entscheiden. Und „Der begrabene Riese“? Auch da habe ich gleich noch dem Lesen eine kleine Rezension geschrieben; ich fand es damals recht langweilig. Jetzt, also zwei Jahre nachdem ich es gelesen habe, fällt mir auf, wie oft ich doch an das Buch gedacht habe, in dem es -mal wieder- um das Vergessen geht. Und wie oft ich mich an Situationen und Stimmungen erinnert habe.

Kazuo Ishiguro also, schön. Ob er den Nobelpreis verdient hat? Wer kann das schon so genau bestimmen. Da draußen sind so viele populäre und obskure Autoren, denen der Preis gut gestanden hätte. Die Jury ist die Jury ist die Jury. Ich bin jedenfalls froh, dass ich tatsächlich mal mehrere Bücher vom aktuellen Literatur-Nobelpreisträger im meinen Regel habe.


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