Wie in jedem Dezember postet ganz Bookstragram schon ihre Jahresfavoriten – während ich noch lese, denn der Monat ist ja nicht vorbei. Tatsächlich habe ich in diesem Monat ziemlich sicher noch zwei meiner Jahresfavoriten gelesen. (Die erfahrt ihr aber erst Anfang Januar :))
A prophet‘s song – Paul Lynch
Als ich im September in Antwerpen war und durch die Buchhandlungen gestöbert habe, bin ich auf „A prophet‘s Song“ aufmerksam geworden. Zwei Monate später dann: Booker Prize! Alle schwärmen! Also greife ich endlich auch zum Buch und kann sagen: wow, so gut. Erst einmal ist es sprachlich eine Wucht, es beschreibt Gefühle so präzise und lässt uns dem Geschehen wie einem Film zuschauen. Dann ist es auch thematisch so aktuell, dass man immer und immer weiterlesen will, aber gelegentlich Pausen braucht, damit es einen nicht umhaut. Wir lesen von Eilish, Wissenschaftlerin und Mutter von vier Kindern, die miterleben muss, wie Irland in den Totalitarismus abrutscht. Hat man schon mal gelesen, aber das hier spielt nicht in einer abstrakten Zukunft, sondern genau jetzt, und ohne Namen oder politische Ausrichtungen zu nennen ist es erschreckend realistisch. Die Lage eskaliert bis hin zum Bürgerkrieg, aber Eilish muss sich kümmern, um die Kinder, um ihren Vater, irgendwer muss den Alltag aufrechterhalten. Es ist gerade diese Perspektive, die das Buch so besonders macht. Denn wir lesen hier nicht von einer Widerstandskämpferin, die sich dem Regime stellt, sondern von einer ganz normalen Bürgerin, die versucht, sich so lange es geht nicht einzumischen, die Kinder in die Schule zu bringen, Milch zu kaufen. Es geht um Entscheidungen, um Alltag, um Politik und Flucht. Aber auch um Familie und Teenager und Verantwortung. Über das Ende muss ich noch ein bisschen nachdenken, da weiß ich noch nicht, ob mir das gefallen hat. (Schreibt mir mal, wenn ihr das Buch gelesen habt) Im September 2024 erscheint das auf Deutsch bei Klett Cotta.
Babel – R.F. Kuang
Wer mehr als eine Sprache spricht, weiß, dass eine perfekte Übersetzung nicht immer möglich ist. Oft schwingen in Worten noch andere Bedeutungen mit, lassen jede Menge Interpretationsspielraum. Diese Ambivalenz der Sprache ist der Motor der Gesellschaft in Babel. Da werden übersetzte Wortpaare auf kleine Silberplättchen graviert und dadurch entsteht Magie, und damit auch Energie, Medizin, Inspiration und so viel mehr. Hört sich komplex an, ist es auch, aber in einer so spannenden und eingänglichen Geschichte eingebettet, dass man nie den Faden verliert, während man mehr und mehr wissen will. Dazu kommt das große Thema Kolonialismus, denn irgendwoher muss das Silber und die Übersetzer:innen ja kommen, um den britischen Wohlstand des 19. Jahrhunderts aufrechtzuerhalten. Was noch? Revolution, Freundschaft, Verrat, Universitätsleben, Familie, Einwanderung. Auf 730 Seiten! Nicht abschrecken lassen, es ist wirklich sehr sehr gut.
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Bird Box – Josh Malerman
Ein Buch, das mich erstmal wahnsinnig gemacht hat. Besonders der Anfang ist so schlimm, voller leerer Worthülsen und Unlogischkeiten (gibt es da ein besseres Wort für?), so dass ich vor lauter Augenrollen Kopfschmerzen bekommen habe. Ich bin aber doch froh, dass ich nicht abgebrochen habe, denn danach wurde es ein kurzweiliger, spannender Thriller, den ich an zwei Tagen weggesnackt habe. Manchmal muss man da vielleicht durch. Ach ja, wer den Film auf Netflix noch nicht gesehen hat: In der Welt von Birdbox tauchen plötzlich Wesen auf, die man nicht ansehen kann, weil man dann sofort gewalttätig wird und sich selbst umbringt. Also verschanzen sich die wenigen Überlebenden in ihren Häusern, decken die Fenster ab und können nur mit verbundenen Augen vor die Türe. Wir folgen Malory in zwei Timelines: einmal, wie sie sich zu Beginn zusammen mit Fremden in einem Haus einrichtet, und dann, wie sie sich Jahre später mit ihren zwei Kindern über den Fluss aufmacht, um ein neues Zuhause zu finden. Ach ja, und noch was hat mich wahnsinnig gemacht: Warum gibt es in der Geschichte keine Blinden Menschen, die einfach normal weiterleben?! Niemand kommt auf die Idee? Die könnten den anderen Überlebenden doch auch helfen. Hach naja, trotzdem ganz ok, wenn man gerade ein bisschen Spannung braucht.
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Dann schlaf auch du – Leïla Slimani
Noch mal Spannung, aber auf ganz andere Art. Hier ist von Anfang an klar, wo die Reise hingeht: eine Nanny hat die zwei Kinder der Familie umgebracht. Das erfahren wir gleich auf der ersten Seite. Und dann blicken wir zurück und finden heraus, wie es dazu kommen konnte. Wie Myriam die Aufgaben und Eintönigkeit des Mutterseins über den Kopf wachsen, wie Paul gar nicht versteht, was mit seiner Frau los ist, wie sie Louise als Nanny einstellen und sich mehr und mehr von ihr abhängig machen. Wir lesen auch von Louise selbst, die vor einem großen Berg ganz anderer Probleme steht. Das ist alles wirklich gut geschrieben, und trotzdem habe ich ein kleines Problem mit dem Buch. Ich mag keinen einzigen Charakter. Alle sind gemein zueinander und unsympathisch. Tatsächlich ist mir das schon bei mehreren französischen Büchern aufgefallen. Habe ich da ein neues Lese-No-go für mich entdeckt?
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You‘re not supposed to die tonight – Kalynn Bayron
Stellt euch einen klassischen Slasherfilm vor: ein Camp im Wald, eine Gruppe Teenager, die von einem Monstermenschen gejagt wird. Aber jetzt machen wir das ganze ein wenig meta, denn das Camp hier im Buch ist gar kein richtiges Feriencamp, sondern eine Kulisse für ein Slasher-Event, so eine Art Escape Room für Gruselfans. Und weil das ganze eher YA ist, sehen wir auch gar nicht so viel Blut, sondern hauptsächlich Spannung und Diversität. Um ehrlich zu sein, habe ich das Buch nur wegen dem lustigen Cover und Titel gekauft, wurde dann aber großartig unterhalten. Schöne Charaktere, schöne gruselige Rätselgeschichte. Macht Spaß.
Die Geschichte der getrennten Wege (Neapolitanische Saga 3) – Elena Ferrante
Ich mag diese Reihe sehr sehr gerne und trotzdem komme ich nur in Zeitlupe voran. Aber das ist auch ok. Die Freundschaft von Elena und Lila (die in der ganzen Reihe beschrieben wird, ich hole da jetzt nicht aus) besteht weiterhin, aber es ist schwierig, weil sie mittlerweile in zwei verschiedenen Welten leben. Und trotzdem haben sie mit ähnlichen Lebenslagen zu kämpfen: Beziehungen und Trennungen, Kinder und Karrieren. Gleichzeitig lernen wir viel über Italien in den 1960er, Kämpfe zwischen Faschismus unf Sozialismus. Elena und Lila setzen sich beide auf ihre Art mit dem Feminismus auseinander. Ich kann hier natürlich nicht ins Detail gehen, weil es das dritte Buch der Reihe ist, aber ja, die ist wirklich so gut. Gerade jetzt, wo der Hype nicht mehr so groß ist.
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