Bücher Best of 2022

Mein Leseziel ist jedes Jahr dasselbe: ich möchte gerne 52 Bücher lesen, eins pro Woche. Und wenn ich das nicht schaffe, ist es auch nicht so schlimm, dann habe ich wahrscheinlich einfach mehr Zeit in ein anderes Hobby investiert. Am Ende sind es 2022 doch wieder 63 Bücher geworden; das kürzeste 84 Seiten, das längste 894. Und wie jedes Jahr setze ich mich im Januar hin und schaue, welche Bücher ich am besten fand. Welche möchte ich empfehlen? Über welche denke ich heute noch nach? Welche haben mich am meisten bewegt? Und welche würde ich jetzt sofort noch einmal lesen? Das hier sind sie. Sechs Romane und zwei Sachbücher. Fünf Autorinnen und drei Autoren. Vielleicht ist auch was für euch dabei.

Starten wir mit zwei Büchern, die man in 2022 in jeder Ecke des Internets gesehen hat und von denen ich sagen kann: The Hype is real. 

The Seven Husbands of Evelyn Hugo / Die sieben Männer der Evelyn Hugo – Taylor Jenkins Reid

Diese Cover! Ich weiß nicht, welches ich schlimmer finde. Die haben mich tatsächlich lange davon abgehalten, das Buch zu lesen, weil Romance so gar nicht mein Genre ist, und ich dachte, das wär’s. Aber wie man es sich schon denken kann, wenn das Buch hier in der Liste auftaucht: Ich bin da durch geflogen und habe es gleich weiterempfohlen. Das Buch beschreibt die wirklich nicht kitschige Lebensgeschichte der großen Filmikone Everlyn Hugo. Warum sie diese ausgerechnet der unbekannten Reporterin Monique erzählen will, ist auch ihr nicht klar, aber wann bekommt man schon mal die Chance, die Biografie eines Filmstars zu schreiben? Sieben Mal war Evelyn Hugo verheiratet, hat seit den 1950ern viele erfolgreiche Filme gedreht, Skandale verursacht und überstanden. Und jetzt erzählt sie, wie es wirklich war, und wie es sich anfühlt, niemals man selbst sein zu können. Ich hatte nicht erwartet, wie vielschichtig das Buch ist, wie kritisch es mit der Klatschindustrie umgeht, Themen wie Armut, Homosexualität und Abtreibung bespricht, oder die Probleme von Frauen in der Filmindustrie damals und heute aufzeigt. Und wie spannend und kurzweilig es dabei ist. Die kleine Auflösung am Ende ist ein bisschen schwach, macht das Buch aber nicht weniger lesenswert. 

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Das Lied des Archill – Madeline Miller

Auch dieses Buch schlummerte lange auf meinem Bücherstapel, weil es mir auf Insta immer Menschen empfohlen haben, deren Buchgeschmack ich gar nicht teile. Dabei hatte ich schon „Circe“ von derselben Autorin gelesen und mochte es sehr. Ich muss vielleicht gestehen, dass ich griechische Mythologie wirklich gern mag, aber auch wenn es hier Götter, Nymphen und Centauren gibt, fühlt sich das Buch nicht nach Phantasie an. Wir begleiten darin Patroklos, einen griechischen Prinzen, der schon in jungen Jahren Achill begegnet und ihm von da an nicht mehr von der Seite weicht. Im Buch wird das zu einer Liebesgeschichte (nicht kitschig, yay). Wir blicken also auf die Achilles-Sage durch die Augen seines Geliebten, wodurch der große Kriegsheld gleich viel menschlicher und realistischer wird. Viel Krieg und Kampf gibt es trotzdem. Da war ich aber schon so in der Geschichte drin, dass es mich nicht gestört hat.

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Weiter geht es mit Genre-Literatur, zu der ich jetzt immer wieder greife und da die schillerndsten Juwelen entdecke. Meine nächsten Favoriten sind Historical Fiction, Science Fiction und Horror.

Judith and Hamnet – Maggie O’Farrell

Wieder ein Buch, bei dem ich anfangs skeptisch war. Ein Setting um das Jahr 1600 in einem englischen Dörfchen? Historical Fiction? Dann aber geht es um Shakespeare und seine Familie? Und es stand auf der „Best Books List“ der New York Times… Ich kann das Fazit kurz machen: Das Buch ist so gut, dass ich es kaum aus der Hand legen konnte, spannend, einfühlsam und frisch. Wir blicken mal auf Agnes, die eigensinnige Gutstochter, die sich in den Lateinlehrer verliebt, dann wieder auf Hamnet, den Sohn, den sie Jahre später haben wird und der verzweifelt auf der Suche nach einem Arzt für seine kranke Schwester ist. Hier drin steckt alles, was es für einen großen Familienroman braucht, und noch mehr, denn nebenher lernen wir auch noch, wie man so um 1600 gelebt hat, was wichtig war, was genau wie heute ist. Dazu kommt ein bisschen Pandemie, ein bisschen Emanzipation, ganz viel Traurigkeit. Ich mochte fast alles daran so sehr. Große Empfehlung!

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To be taught if fortunate – Becky Chambers

Ich habe nie eine Reihenfolge in meiner Best-Of-Liste, es gibt also keine Plätze 1 bis x. Wenn ich wählen müsste, also MÜSSTE, würde ich wahrscheinlich dieses hier als meinen Favoriten auswählen. Zufällig war es das erste Buch, das ich 2022 gelesen habe. Und dann ist es auch noch Science Fiction und hat nur 140 Seiten! Astronautin Ariadne erzählt darin von einer Weltraummission, die die Menschheit das erste Mal auf völlig unbekannte Planeten führt. Die Austronaut:innen sind Entdecker:innen, sie wollen auf den Planeten beobachten und dokumentieren, und kommen so ins Grübeln über die Menschheit. Das Buch ist ein langer Brief an die zu Hause Gebliebenen. Es hat mich begeistert, weil es den Weg in den Weltraum erklärt, ohne groß auszuholen; kreativ und nachvollziehbar. Es konzentriert sich auf die Figuren ohne Dramatik, es zeigt mir, wie schön es ist, neue Dinge zu entdecken. Und Becky Chambers kann ich euch eh empfehlen, wenn ihr richtig gute Wohlfühlgeschichten braucht. (Dieses Jahr lese ich die Wayfarer-Reihe zu Ende!) Bisher gibt es die Novelle leider nur auf Englisch, die anderen Bücher wurden aber schon übersetzt.

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The only good Indians – Stephen Graham Jones 

Wer wie ich wieder ganz neu in das Genre einsteigt, wird feststellen, dass es so viel mehr als Steven King gibt. Stephen Graham Jones zum Beispiel hat schon jede Menge Bücher geschrieben. Dies hier ist mein erstes von ihm und richtig gut. Es hat mich mitgenommen in eine Welt, die ich sonst nie besuche; in die Leben von vier amerikanischen Ureinwohnern. (Auch der Autor ist Native.) Vor 10 Jahren, als die Jungs Teenager waren, ist bei der Jagd etwas passiert, für das sie jetzt heimgesucht werden. Die Natur rächt sich. Wir begegnen einem ganz neuartigen Monster, das ich so noch nie gesehen habe. Ohne dass viel erklärt werden muss, taucht man im Buch in die Welt der Tradition und des Reservats ein. Es geht um Identität, destruktives Verhalten und die Schwierigkeit, Erwartungen zu erfüllen. Besonders die Szenen im Reservat etwas später im Buch sind sehr intensiv. Das Grauen schleicht sich aber auf eine fast sinnliche Art heran. Mein großer Tipp für alle, die auch blutige Szenen lesen können.

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Schimmernder Dunst über Coby County – Leif Randt

Am Ende meiner Belletristik-Tipps noch ein Buch, dass ich hier nie vermutet hätte. Es hat mich überrascht und zwar auf die beste Weise. Coby County ist ein traumhafter Ort. Das Wetter ist perfekt und die Menschen kommen hierher, um unbeschwert Urlaub zu verbringen, zu feiern oder sich anderweitig auszuleben. Wer dort wohnt, ist kreativ und beruflich erfolgreich, optimiert sich selbst und lebt bewusst. Ein Traum für die Instagram-Generation. Auch Wim hat nie woanders gelebt und alles in seinem Leben scheint perfekt. Dann aber kommt dieses schlimmste aller Gefühle: Der Zweifel. Denn eigentlich ist alles in Coby County eine große Inszenierung – genau wie Wim selbst und vor allem dieses Buch. Diese scheinbare Emotionslosigkeit, dieses große Analysieren von allem, so viel bewusst sein, dass man vergisst, wer man ist. Leif Randt hat hier viel für „Allegro Pastell“ geübt, aber hier lese ich diese zarte Melancholie und stilisierte Relativierung in der Reinform. Ein Buch voller Oberflächlichkeit, das alles richtig macht.

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Im Grunde gut: Eine neue Geschichte der Menschheit – Rudger Bregman

{Presseexemplar} Wer das Gefühl hat, dass er:sie kurz davor steht, an der Welt zu verzweifelt. Hold on. Lass dir von mir dieses Buch in die Hand drücken. Rutger Bregmann geht davon aus, dass Menschen nicht die selbstsüchtigen, gewaltbereiten Wesen sind, für die wir sie halten und vor denen wir uns beschützen müssen, sondern genau das Gegenteil – im Grunde gut; sozial und freundlich. Rousseau gegen Hobbes mal wieder. Um seine These zu beweisen, macht er sich auf die Suche nach Geschichten und Studien. Lest das Buch, wenn ihr euch trotz der Weltlage mal mal wieder besser fühlen wollt. Die:der Optimist:in in euch wird mir danken. 

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What we don’t talk about when we talk about fat – Aubrey Gordon

Ganz im Gegensatz zu Bregmann ist das hier kein Wohlfühlbuch, besonders für dicke Menschen. Es tut an vielen Stellen weh und ist frustrierend, aber es ist auch das beste Buch, das ich bisher zum Thema gelesen habe. Aubrey Gorden macht nicht nur den wundervollen Podcast Maitenance Phase, sondern beschreibt hier anhand persönlicher Erlebnisse und wissenschaftlicher Studien, wie es um die Diskriminierung fetter Menschen steht. Nacheinander bespricht sie Aspekte wie Gesundheit, BMI, Diäten, Schönheit etc. und zeigt, was am Ende der Kern ist – ein gesellschaftlich akzeptiertes Ventil, um Hass herauszulassen und sich über andere zu stellen. Es ist ein radikales Buch, das zeigt, wie tief Dünnsein als Ideal tatsächlich in unserem Denken verankert ist. Leider gibt es das bisher nicht auf Deutsch. Und jetzt seid lieb zueinander.

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Weil nach so einem Jahres-Best-of viele gerne weiter durch meine Favoriten stöbern – hier sind die Links zu den letzten Jahren:

Best of 2021

Best of 2020

Best of 2019

Best of 2018

Best of 2017

Best of 2016

Best of 2015


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