Bücher im August 2022

In diesem Monat ging es gleich vier Mal für mich nach Asien. Hatte ich gar nicht so geplant, aber offenbar war ich an diesen Geschichten besonders interessiert. (Oder der Zufall wollte es so, manchmal lasse ich ja Siri meine nächsten Bücher aussuchen.) Und ja, ich habe ENDLICH „Das Lied des Achill“ gelesen! Und ja, es war toll.


Illumination and Night Glare: Die Autobiografie von Carson McCullers

Normalerweise lese ich keine Biografien, schon gar keine Autobiografien. Keine Ahnung, was Leute daran spannend finden. Als ich diese hier entdeckt habe, war ich aber doch ein bisschen neugierig. Carson McCullers ist die Autorin von „Das Herz ist ein einsamer Jäger“ und „Die Ballade vom traurigen Café“, Klassiker, die ich beide sehr mochte. Sie schreibt viel über Einsamkeit, Sehnsucht und Identitätsfragen und transportiert die Stimmung der amerikanischen Südstaaten um 1940. Darüber hinaus hat sie aber auch ein bewegendes Leben geführt: physische und psychische Krankheiten, schwierige Beziehungen zu Männern und Frauen, Künstlerkommunen in Brooklyn und herrliche Sommer in Georgia. Die Autobiografie selbst ist manchmal ein bisschen unzusammenhängend und schaut mal hier hin und mal dort hin. Das ist nett zu lesen und man entdeckt immer wieder, wo die Themen herkommen, die sie literarisch verarbeitet. Es ist aber bei mir auch hier wieder wie bei allen Biografien: mir fehlt die Story, mir fehlt die Literatur. Zu McCullers Romanen werde ich aber gerne wieder greifen.

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Kusama: Eine Graphic Novel – Elisa Macellari

Letztes Jahr gab es in Berlin eine Retrospektive der Arbeiten von Yayoi Kusama, die ich leider nicht gesehen habe. In der Tate Modern in London kann man sich gerade ihre Infinity Rooms ansehen. Bekannt ist die japanische Künstlerin aber vor allen durch ihre Punkte-Kunst und Happenings geworden. Egal, VOR diesem Comic hier wusste ich fast nichts über sie. Geschichte und Werk werden darin ganz großartig erklärt und dargestellt. Und vor allem: es macht so viel Lust auf mehr! 

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Menschenwerk – Han Kang

Am 18. Mai 1980 gab es in Südkorea ein grausames Massaker an demonstrierenden Student:innen durch das Militär. Wer dies überlebte, starb später in der Haft durch Folter oder kam nie wieder richtig ins Leben zurück. Richtig aufgearbeitet wurden die Vorkommnisse nie, so dass Han Kang hier versucht, die Grausamkeiten in Worte zu fassen und ihnen Substanz zu geben. Dafür begleiten wir mehrere Figuren, sowohl um die Tage des Massakers herum als auch noch Jahre danach. Wir schleichen drum herum und bekommen doch sehr genau mit, was dort eigentlich passiert. Das ist oft sehr verstörend und schonungslos, darauf solltet ihr euch einstellen. Die Art, wie Han Kang von Person zu Person springt, macht es vielleicht ein bisschen erträglicher, zeigt aber auch, wie viele Leben hier auf unterschiedliche Weise verloren gegangen sind. Da ist nicht viel Hoffnung drin. Es ist ein Plädoyer dafür, das Massaker nicht zu vergessen. Ein hartes Buch, aber sehr gut.  

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Das Lied des Achill – Madeline Miller

Ja, jetzt habe ich es auch gelesen, und ja, das ist richtig, richtig gut. Ich hätte viel früher dazu greifen sollen. Die Art, wie Madeline Miller es schafft, griechische Mythologie so greifbar und aktuell zu machen, hat mich schon bei „Circe“ begeistert. Hier ist man scheinbar noch näher dran. Und auch, wenn es in dieser Geschichte Götter und Nymphen und Centauren gibt, fühlt es sich nicht nach Phantasie an. Wir begleiten im Buch Patroklos, einen griechischen Prinzen, der schon in jungen Jahren Achill begegnet und ihm von da an nicht mehr von der Seite weicht. Im Buch wird das zu einer Liebesgeschichte (nicht kitschig, yay). Wir blicken also auf die Achilles-Sage durch die Augen seines Geliebten, wodurch der große Kriegsheld gleich viel menschlicher und realistischer wird. Viel Krieg und Kampf gibt es trotzdem. Da war ich aber schon so in der Geschichte drin, dass es mich nicht gestört hat. Ich bin schon so gespannt, welche Figur sich Madeline Miller als nächstes vornimmt und werde diesmal ganz sicher nicht so lange warten. 

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Peking falten – Jingfang Hao

Es ist eine kurze Novelle mit einer seltsamen Idee. Um Platz und Ressourcen zu sparen, wird Peking umgebaut. Jede „Klasse“ bekommt einen Teil der Stadt und des Tages, zu einer bestimmten Uhrzeit werden die Stadtteile übereinander und zusammengefaltet. Das ist gar nicht einfach zu beschreiben, aber im Buch ist das ganz wunderbar gelöst. Lao Dao gehört der niedrigsten Klasse an und darf nur nachts zum Arbeiten raus. Eines Tages bekommt er einen Auftrag und muss versuchen, durch geheime Gänge und über die Falte in die anderen Teile Pekings zu gelangen. Wir entdecken das alles mit ihm zusammen und fragen uns nach und nach, wie gut dieses Konzept tatsächlich ist. Eine tolle, schnelle Geschichte.

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Strange Weather in Tokyo – Hiromi Kawakami

Tsukiko führt wahrscheinlich ein normales Leben, aber davon bekommen wir nicht viel mit. Was sie wirklich gerne macht, ist abends alleine in Bars sitzen, sich betrinken und köstliche Speisen essen. (I feel you, girl.) Eines Tages trifft sie dabei ihren alten Lehrer wieder, den sie respektvoll Sensei nennt. Der hat nämlich dasselbe Hobby. Ihre Treffen werden regelmäßiger, die beiden freunden sich an. Sie suchen die Nähe des anderen und gleichzeitig macht es sie nervös. Kann daraus mehr werden? Wäre das komisch bei dem Altersunterschied? Und möchten sie das überhaupt? Klassische Liebesromane sind nicht so meins, aber klassisch ist hier eh nichts. Und man kann sich ja auch mal in andere Genres wagen. Hier passiert alles so langsam und zärtlich ohne viel auf und ab. Besonders Japan-Kenner:innen möchte ich das Buch empfehlen, denn alleine die genauen Beschreibungen der Speisen sind so faszinierend, dass ich mich am liebsten alles mit den beiden probiert hätte. Ein leises, langsames Buch für Japan-Fans.

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Die Elenden – Anna Mayr

Anna Mayr ist mit arbeitslosen Eltern aufgewachsen und kennt jedes Vorurteil: Die wollen ja gar nicht und sind faul. Die bekommen eh schon zu viel Unterstützung. Die müssen sich ja nur mal anstrengen. Heute ist sie Redakteurin und kann darüber schreiben, wie falsch diese Gedanken sind und wo sie her kommen. Wie unsinnig Hartz IV ist, warum die Gesellschaft Arbeitslose braucht und was das mit den Menschen macht. Und vor allem: Wie und warum Arbeit der Mittelpunkt unserer Identität geworden ist. Und wie man diesen Gedanken vielleicht überwinden kann. Über viele Aspekte des Buchs kann man sicher anderer Meinung sein, ich fand das alles aber sehr gut argumentiert und recherchiert. Es hat mir an vielen Stellen Zusammenhänge verdeutlicht und zum Weiterdenken angeregt. Mein Tipp für alle, die mal wieder zum Sachbuch greifen wollen. 

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