Ich wurde gebeten, keine Fotos zu machen, also lasst mich Bilder für euch malen. Nick Cave and the Bad Seeds haben in Düsseldorf ein Konzert gespielt, das meine Erwartungen übertroffen hat, und dabei hatte ich schon schwer damit gerechnet, dass es eines der besten Konzerte des Jahres werden würde.
Dieser traurige Mann
Eine Vorband braucht Nick Cave heute nicht. Die Bühne ist noch leer und dunkel, als die ersten Töne des Abends anklingen. 7.500 Leute stehen hier in der ausverkauften Mitsubishi Electric Halle und nach dem ersten Klatschen sind sie alle ruhig und harren der Dinge, die da kommen.
Nick Cave startet gleich mit dem neuen Album und spielt über den Abend hinweg viele Songs von „Skeleton Tree“ – und natürlich weiß jeder im Saal unter welchen Umständen dieses Album entstanden ist. Aber auch wenn man das nicht wüsste: die Traurigkeit sickert durch jedes Wort und tropft mit der Musik von der Bühne. Das Publikum steht da in der Pfütze, schweigt und hört diesem traurigen Mann zu. Und Nick Cave steigt ein Stück von der Bühne herunter, stellt sich immer wieder an den Rand des Publikums und hält sich an den Fans fest. Er singt sie direkt an, nimmt ihre Hände und wird ein Teil des Raumes.
I’m transforming, I’m vibrating, look at me now!
Nick Cave wäre aber nicht einer der großartigsten Live-Acts, die ich je gesehen habe, könnte er die Stimmung nicht auffangen, damit wir nicht alle in das schwarze Loch fallen, das er da gräbt. Immer wieder schiebt er alte Songs dazwischen. Das große „Higgs Boson Blues“ zum Beispiel, das gar nicht mehr aufhören will, und in dem er das Publikum den Herzschlag des Songs singen lässt. Er spielt „Jubilee Street“ und versichert uns, dass es weitergeht: I’m transforming, I’m vibrating, look at me now! Er spielt „Into my Arms“ und vor mir wird gekuschelt.
Aber die Musik, das alles heute Abend, ist nicht einfach nur traurig oder wild oder nachdenklich – Nick Cave kann eben doch genau das, was ihm immer nachgesagt wird. Was da auf der Bühne geschieht, spricht direkt die dunklen Plätze in unseren Köpfen an. Die kleinen Winkel, in denen man Dinge versteckt, über die man nicht so gerne nachdenken möchte. Und er hackt sie mit diesen Texten frei und umspült sie mit dieser Musik und lässt uns nicht mit dem alleine, was da an die Oberfläche kommt.
Ein Chor aus Jüngern
Keiner der Songs wird heute so gespielt wie auf dem Album. Alles ist live so viel besser, weil die Musiker aufeinander reagieren und das Publikum mitnehmen. Nick Cave steht am Rand der Bühne wie ein Fernsehpriester, der sich von seinem Publikum feiern lässt und kurz davor ist, uns zu seltsamen Ritualen zu verführen. Er fasst alle an und lässt sich anfassen, er umarmt uns, hält trotzdem Distanz und springt dann ins Publikum. Zur Zugabe baut er sich einen Chor aus Jüngern hinter sich auf. Er holt sich alle auf die Bühne bis sie voll ist. Und Nick Cave steht davor und wohin man auch sieht tanzen Menschen, ganz verträumt und glücklich wie nie. Da sieht jedes Bild aus wie aus einem guten Musikvideo. Er inszeniert das Ende für uns.
Ganz am Schluss singt er „Push the Sky away“. Letzte tröstende Töne, die wir alle mit nach Hause nehmen können. Ein langsames und für seine Verhältnisse fast positives Stück. Ich hatte ja schon viel Gutes über diese Tour gehört und mich fast ein bisschen vor der Dunkelheit gefürchtet. Nick Cave hat an diesem Abend aber alle Erwartungen erfüllt und noch ganz viel mehr draufgesetzt.
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