Milliarden im Luxor

Nach vielen, vielen Pop-Konzerten in diesem Jahr brauchte ich an diesem Wochenende endlich wieder Krach und Krawall. Wie passend, dass in meinem Terminkalender ein güldenes MILLIARDEN blitzte. Schon letztes Jahr sollte ich sie eigentlich im Blue Shell sehen, war dann aber leider aus Gründen verhindert. (Die sie mir sicher nachsehen, denn Werbung habe ich trotzdem genug gemacht). Im Luxor kam dann doch alles anders, als ich erwartet hatte. Das war wilder Krach, und doch kein Punkrock. Das waren keine Teenager, sondern ein erwachsenes und fast gemütliches Publikum. Da traf ich keine besoffenen Groupies, sondern echte Nachreise-Fangirls.


Im großen und ganzen beginnt das Konzert trotz Glitzerjacke ein bisschen lahm, und ich behaupte jetzt mal – mit Rücksicht auf mich. Denn ich muss mich (endlich mal wieder) ohne Graben durch die ersten Reihen kämpfen. Milliarden spielen „Blitzkrieg“, „Blondes Gift“ und „Bleib hier“, wirbeln über die Bühne und das Publikum schaut zu. Als ich meine Kamera gerade einpacke, spielen sie das herzschmelzende „Zucker“. Das ist toll, aber ich vermisse den Krawall, verdammt, das ist so soft und tut nur so, als wäre es laut.



Aber dann, jaaaaa, dann geht es endlich los. „Die Angst“ ist laut, bei „Katy Perry“ wird endlich richtig getanzt, und dann fragt Ben in Köln, ob es hier eine „Marie“ gibt. Kurze Städtekunde: In Köln wird jede Frau Marie genannt, ob sie will oder nicht. Kurz darauf gibt es meinen ersten richtig guten Pogokreis in diesem Jahr, der einmal die komplette Tanzfläche des Luxors einnimmt und in dem Johannes komplett verschwindet. (Mit anschließender Kontrolle, ob niemand verletzt ist. Hach, das habe ich gebraucht, Krawall und nette Menschen.) Zu „Im Bett verhungern“ können wir uns alle noch mal ein bisschen erholen. Das ist fast zärtlich und ein bisschen sexy. Ab „Milliardär“ können geben wir dann noch mal alles und das ist wunderbar.



Die Zugabe ist etwas ruhiger, selbst „Freiheit ist ne Hure“ ganz am Ende wird lautstark und ein bisschen außer Atem mitgesungen. Zu diesem Zeitpunkt sind Band und Publikum eh schon gute Freunde. (Blenden wir mal die peinlichen Ausziehen-Aufforderungen aus.) Wir versprechen uns da schon, am Merch hallo zu sagen und gemeinsam noch ein Bier auf der anschließend stattfindenden Ü40-Party zu trinken. Ich verschwinde doch lieber ins Stereo Wunderland und frage mich, wie lang der Abend für Milliarden wohl noch wird, und ob es sie später wirklich noch durch die Nacht ziehen.



Denn hier kommt es, das große, nagende Fragezeichen. Ich weiß, dass ich gerade ein sehr, sehr gutes Konzert gesehen habe. Es hat Spaß gemacht und Milliarden sind offensichtlich eine richtig gut Live-Band. Aber trotz Krach und Pogo und lustigen Outfits – das hier war Pop. Wenn das hier Punkrock wäre, würde die Show nicht um 21:30 Uhr enden. Wenn das hier Punkrock wäre, würde ich nicht jedes Wort vom Text verstehen. Wenn das hier Punkrock wäre, hätten wir vom Pogo blaue Flecken, würden nach Bier stinken, und die Fangirls nicht vor der Bühne in Matching Jackets warten, sondern hinter der Bühne vorglühen. Und trotzdem: Wenn man die Augen zumacht, kann man bei Bens Stimme tatsächlich manchmal ein bisschen Rio raushören. Und Rio hat die besten Popsongs geschrieben.


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