„Schaut mich an, ich werde älter. Schaut mich an, ich bin allein,“ beginnt Drangsal auf seinem neuen Album und erzählt uns eine Geschichte. Eine Tatsache und eine Lüge. Das Konzert ist immerhin ins Gloria hochverlegt worden und war trotzdem restlos ausverkauft. Ein Abend voller Kontraste wird das, die ein großartiges Ganzes ergeben.
Normalerweise heißt es nichts Gutes, wenn die Band auf das obligatorische „Hallo Köln, wir sind Drangsal“ mehrheitliches Schweigen erntet. Das Publikum war einfach noch nicht bereit. Auch wird das Konzert meist nicht so gut, wie es sein könnte, wenn die Band noch erzählt, wie schrecklich verkatert sie ist. Ich erwarte also ganz kurz nicht so viel von dem Abend; bis die ersten Töne von „Jedem das Meine“ durch das Gloria dröhnen.
Ok, selbst da bin ich eigentlich noch nicht umgestimmt. Denn im Gloria gibt es an diesem Abend keinen Fotografengraben und ich habe mir deshalb auf den Stufen einen Platz gesucht, der mir einigermaßen gute Fotos und einen sicheren Platz für den Rest des Konzertes einbringen soll. Song 1 ist also nur Kamera einstellen, Fotos machen, still halten. Bei Song 2 schlägt mein Herz aber gleich schon ein bisschen höher, denn „Will nur dich“ ist mein Lieblingssong vom ersten Drangsal-Album und das Publikum singt so wunderbar mit, dass ich Fotos kurz mal Fotos sein lasse.
Spätestens ab „Do the Dominance“ ist dann jede Sorge verflogen. Mir war ja schon immer klar, wie tanzbar Drangsal-Songs sind, aber was das Publikum da heute Abend bietet, holt auch die Band ganz schnell aus der Katerstimmung. Es folgen kleine Ausnahmezustände bei „Sirenen“, „Love me or Leave me alone“, „Der Ingrimm“ oder „Arche Gruber“ – und da sind wir noch nicht mal bei der Zugabe angekommen.
Überhaupt ist hier schon der nächste Kontrast: Ich denke an den etwas unsicheren jungen Mann, den ich erst vor zwei Jahren im Club Bahnhof Ehrenfeld gesehen habe, der da für eine Gruppe musikverliebter „Erwachsene“ spielte (und mich!). Dagegen steht im Gloria der offene und schlagfertige noch immer junge Mann, der mit Fans scherzt, als hätte er nie etwas anderes gemacht.
Auch der Kontrast im Publikum selbst funktioniert. Die älteren New Waver hat Drangsal bei all dem Spektakel nicht verloren. Die stehen genauso an der Bar und vor der Bühne wie die Party-Teenager-Boys und -Girls mit den verliebten Augen. Und alle arbeiten hart daran, das Konzert zu einem der besten des Jahres zu machen.
Wer es noch nicht gesehen hat, sollte sich übrigens unbedingt das kurze Video auf Instagram zum Köln-Auftritt anschauen. Die Band hatte nämlich ein Kamerateam dabei und feuert uns damit noch mal extra an. So endet dann auch die Geschichte: „Wir können es sehen und glauben es selber kaum.“
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