Bücher im September (2022)

Ein September mit Highlights! Und nach längerem mal wieder mit zwei Presseexemplaren, die beide ganz großartig waren. Der Deutsche Buchpreis nähert sich, aber so richtig aufgeregt macht mich die Shortlist noch nicht. Vielleicht ändert sich das noch in den nächsten Monaten und ich lese noch Bücher nach, mal sehen. 


Unsre verschwundenen Herzen – Celeste Ng

{Presseexemplar} Ich habe mich sehr auf ein neues Buch von Celeste Ng gefreut und war dann kurz verwundert, denn thematisch wagt sie in „Unsere verschwundenen Herzen“ etwas Neues. Kein Vorstadtdrama diesmal, sondern eine politische Dystopie? Ganz anders, aber es funktioniert so gut. Darum gehts: Nach einer massiven Wirtschaftskrise wendet sich die USA zum absoluten Patriotismus. Alle Kritiker wird verfolgt und bedroht, besonders asiatisch gelesene Menschen rassistisch angegriffen. Stellt es euch als eine Vorstufe von „Report der Magd“ vor, leider erschreckend aktuell. In diesem System lebt der 12-jährige Bird allein mit seinem Vater, denn die Mutter hat die Familie verlassen und jetzt irgendwas mit den Protesten zu tun, die überall aufflammen. Was genau finden wir zusammen mit ihm heraus. Celeste Ng setzt im Buch auf Kontraste. Während die Welt kalt und bedrohlich über uns hineinbricht, erschreckend realistisch durch steigende Preise und politische Unruhen, beschreibt sie ihre Figuren warm und fast zärtlich. Es geht um Angst und Einsamkeit und ganz viel Hoffnung, diese zu überwinden. Mit ihnen gehen wir auf eine Reise durch geheimnisvolle Bibliotheken, alltägliche Poesie, kreative Protestaktionen und den New Yorker Untergrund. Wie in ihren vorigen Büchern, möchte man in der Geschichte versinken. Mochte ich sehr.

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Saga, Vol. 1 – Brian K. Vaughan

Ich suche schon lange wieder eine schöne Comic-Reihe, mit der ich meine Sonntage im Bett starten kann. „Saga“ ist episch, mir aber vielleicht ein bisschen zu sehr im Phantasie-Genre angesiedelt. Da gibt es Wesen mit Hörnern und Flügeln, einen intergalaktischen Krieg, verfeindete Kopfgeldjäger:innen und hilfreiche Monster. Ich bin noch nicht überzeugt, werde mir aber gerne auch mal den zweiten Band ansehen. 

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Lügen über meine Mutter – Daniela Drescher

{Presseexemplar} Bald wird der Deutsche Buchpreis verliehen. Unter den Nominierten hat mich nur ein Buch gleich angesprochen, denn auf diese Art habe ich das Thema Körperbilder noch nie in Romanform gesehen. Daniela Drescher erzählt darin von einer Kindheit Mitte der 1980er Jahre, und wir erkennen, auch wenn es nicht unser Jahrzehnt war, alles wieder. Das ist unterhaltsam und kurzweilig. Daneben geht es aber auch um die Beziehung ihrer Eltern, und das ist teilweise ganz schön schwer auszuhalten. Während die Mutter die Familie zusammenhält und sich kümmert, geht es beim Vater viel um Selbstdarstellung. Es geht um die Scham und das Selbstbild vor anderen Menschen. Und so macht er für alles, was schiefgeht, die Figur seiner Frau verantwortlich. Natürlich wird er nicht befördert, weil sie so dick ist. Natürlich kann sie mit einem fetten Hintern keine gute Mutter sein. Es ist erstaunlich, wie genau Daniela Drescher hinsieht. Wie jede neue Diät das Machtgefälle in der Familie stärkt. Wie überfordernd Care-Arbeit ist. Wie sehr wir uns fragen, warum diese Ehe bestehen bleibt. Ich brauchte beim Lesen tatsächlich Pausen, weil hier so schlau der Finger genau in die Wunden gelegt wird, die wir versuchen, nicht zu sehen. Und weil das Buch trotzdem so gut ist.

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The only good Indians – Stephen Graham Jones

Für die dunkle Jahreszeit habe ich schon eine Menge gruselige Bücher im Regal, ihr seid hiermit vorgewarnt. Das hier war etwas Besonderes, richtig spannend, teilweise sehr blutig, und trotzdem gute Literatur. Es hat mich mitgenommen in eine Welt, die ich sonst nie besuche; in die Leben von vier amerikanischen Ureinwohnern. (Auch der Autor ist Native.) Vor 10 Jahren, als die Jungs Teenager waren, ist bei der Jagd etwas passiert, für das sie jetzt heimgesucht werden. Die Natur rächt sich. Wir begegnen einem ganz neuartigen Monster, das ich so noch nie gesehen habe. Ohne dass viel erklärt werden muss, taucht man im Buch in die Welt der Tradition und des Reservats ein. Es geht um Identität, destruktives Verhalten und die Schwierigkeit, Erwartungen zu erfüllen. Besonders die Szenen in der Natur etwas später im Buch sind sehr intensiv. Das Grauen schleicht sich aber auf eine fast sinnliche Art heran. Ich habe lange keinen Horror gelesen und komme gerade wieder rein. Das hier ist ein großer Tipp für alle, die das lesen können.

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Nach der Welle – Sonali Deraniyagala

An diesem Buch habe ich lange gelesen. Es ist der reale Erfahrungsbericht der Autorin, die bei dem großen Tsunami 2004 ihre gesamte Familie verloren hat. Die Geschichte selbst kann man daher auch nicht als gut oder schlecht bewerten. Das Buch beschreibt kaum die Katastrophe an sich, sondern die Zeit danach. Der Schock am Anfang, die Verzweiflung, Taubheit und all die Trauer, die danach kommt. All die Phasen, die man als Mensch so erlebt, wenn etwas so Undenkbares passiert. Das ist zum Glück gar nicht voyeuristisch, wir begleiten die Autorin nur. Wer gerne autofiktionale Literatur liest (Annie Ernaux, Joan Didion etc.), mag das hier sicher auch.

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