Seit Monaten steht dieser eine Termin in meinem Kalender: Patti Smith, DIE Patti Smith, spielt im Kölner Tanzbrunnen. Ich muss euch hoffentlich nicht erklären, wer die Frau ist und warum mein Herz in Erwartung schon lange nicht mehr so hoch geschlagen hat. Es wird aber noch besser: Auf dieser Tour wird Patti Smith ihr Album „Horses“ spielen – das Album, mit dem sie 1975 ihre Karriere gestartet hat.
Drei Stunden vor Konzertbeginn schaue ich in meinen Mails und schlucke: leider doch keine freien Fotografen zugelassen. Bitte nicht, bitte nicht, bitte nicht, bitte nicht, bitte nicht. Dann aber: Was soll’s? Das ist fucking Patti Smith. Da möchte ich doch eh lieber im Publikum stehen und alles mitkriegen, oder? ODER? Es gibt also keine Fotos. Außerdem: Tod dem Handyfoto!
Für Köln ist an diesem Abend Sturm, Regen und Gewitter angesagt. Hatte ich erwähnt, dass das Konzert Open Air im Tanzbrunnen stattfinden soll? Also Jacke an und los. Als Support spielt „And the Golden Choir“. Bevor es losgeht, stöpselt er erstmal seinen Plattenspieler ein und schlürft ein bisschen Weißwein. Dann singt er sehr, sehr gut zu allem, was er da auf seinen Platten mitgebracht hat.
Als Patti Smith dann pünktlich auf die Bühne tritt, klatschen alle ehrfürchtig: kleine Punkmädchen, die schrullige Kneipenfrau, das kuschelnde Lehrerehepaar und Ralle, der noch immer „die besten, ähm, Zigaretten dreht“. Da Patti „Horses“ wirklich von vorne bis hinten spielt (bzw. beide Seiten, wie sie betont), startet sie gleich mit „Gloria“, danach „Redondo Beach“. Immer wieder gibt es Zwischenapplaus, besonders bei „Birdland“ und natürlich „Land“. Verdammt, ist das gut! Man kann sich gar nicht vorstellen, wie viel Energie diese zarte 68-jährige Frau umgibt und wie viel Stimme aus ihr raus kommt.
Wie viel Rock-Geschichte da auf der Bühne steht, hören wir uns staunend an: „Dieses Lied ist für meinen Freund Jim Morrison.“ „Das hier habe ich mit Bruce Springsteen geschrieben.“ Jimmy Hendrix, Lou Reed, Fred Sonic Smith, sie alle sind heute Abend dabei.
So laut und kraftvoll die Songs sind, so leise und fast zurückhaltend ist sie bei den Ansagen. Die Mutti sagt uns, dass wir alle viel zu kalt angezogen sind und nachher unbedingt einen heißen Tee trinken müssen. Dann fällt ihr ein, warum wir alle hier sind und spuckt ihr Gurgelwasser in die erste Reihe.
Ach Patti, spiel doch immer weiter. Wir tanzen und tanzen und tanzen. Zur Zugabe hören wir noch „My Generation“ von The Who. Das wird aber erst richtig gut, also sie ihre „fucking words!“ vergisst und stattdessen die Gitarrensaiten schreddert.
Das Gewitter über Köln ist dann doch ausgeblieben. Es donnert nur noch von der Bühne:
„You have the right to be free!
You have the right to strike!
You have the right not to be a victim of surveillance!”
Sie hat offenbar deutsche Nachrichten geschaut.
Was soll ich sagen, ich habe Patti Smith live gesehen. Ich habe keine 10 Meter von Patti Smith entfernt gestanden, als sie Gloria gesungen hat und als sie uns sagte, wir können alles machen, was wir wollen. Nach dem Konzert muss ich mich noch etwas an den Rhein setzen, und das auf mich wirken lassen. Die Welt braucht mehr Menschen wie Patti Smith.