Gelesen im März (2023)

Ein Monat voller schöner Geschichten, naja, eher nicht inhaltlich, denn da waren auch ein Horror- und ein Sachbuch dabei. Trotzdem: Tschernobyl, die Uckermark oder Leipzig – ich habe kleine Lesereisen unternommen, die ich alle mochte. 5 Sterne sind in diesem Monat nicht dabei, aber das muss es ja gar nicht immer. 


The Final Girl Support Group – Grady Hendrix

Seitdem ich wieder ab und zu Horror lese, greife ich gerne zu Grady Hendrix, weil er die Spannung um ein gutes, ungewöhnliches Setting herum aufbaut, das Spaß macht. Einen Buchclub, der Vampire jagd oder eine Horrornacht in einem Ikea zum Beispiel. Großartig. Vor allem nimmt die Story sich selbst nicht allzu ernst. Auch hier war es wieder eine interessante Prämisse: All die “Final Girls”, die wir aus 80er- und 90er-Jahre-Slashern wie Halloween oder Scream kennen, gibt es wirklich und sie treffen sich regelmäßig bei der Gruppentherapie. Dann passiert genau das, vor dem sich die Frauen seit Jahren fürchten – ein neuer Serienkiller hat es auf die Final Girls abgesehen. Ich mache es kurz: Die Story ist leider zu konstruiert, die Hauptfigur anstrengend, die “Girls” untereinander zu ähnlich. Horror war das nicht, eher ein Thriller. Leider das schwächste Buch, das ich bisher von Hendrix gelesen habe. (Da warten aber noch ein paar auf mich und die werde ich auf jeden Fall noch lesen.)

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Baba Dunjas letzte Liebe – Alina Bronsky

Baba Dunja ist eine alte Frau, die viel erlebt hat. Jetzt ist sie in ihr winziges Dorf zurückgekehrt, baut Gemüse an, unterhält sich mit den wenigen kauzigen Nachbar:innen oder ihren Geistern aus der Vergangenheit. Klingt nach Einzelgänger:innen-Romantik, wenn das Dorf nicht ein besonderes wäre: Baba Dunjas Heimat liegt in der “Todeszone”, ganz nah an Tschernobyl. Und so haben wir beim Lesen der Alltäglichkeiten einen anderen Blick. Warum singen die Vögel hier so laut? Nach was schmecken die angebauten Tomaten? Zeigen sich da erste Anzeichen von Strahlenkrankheit? Die Dorfbewohner:innen sind zufrieden in ihrer Abgeschiedenheit, aber dann kommt eine neue Familie ins Dorf und wirbelt alles durcheinander. Auf schnellen 160 Seiten bekommen wir im Buch ein Gefühl von zufriedenem Aussteiger:innenleben, das ich sehr mochte. Es geht um Einsamkeit und vermissen, um bleiben und gehen, um Vergangenheit und Zukunft. Die kleine „Handlung“ darin hätte ich fast nicht gebraucht. 

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Politische Männlichkeit: Wie Incels, Fundamentalisten und Autoritäre für das Patriarchat mobilmachen – Susanne Kaiser

Susanne Kaisers wirft einen Blick auf das konservative Männlichkeitsbild, das in unterschiedlichen politischen Bewegungen auf viele Arten mitschwingt. Das sind zunächst Incels, die nach Amokläufen immer wieder zu Einzeltätern gemacht werden, obwohl sie aus einer misogynen Vereinigung kommen, die einen Anspruch auf weibliche Körper haben will (nur auf die, die ihnen gefallen natürlich). Da sind christlich konservative Gruppen, die gerade all ihre Ziele hinter dem Feindbild Gender verstecken. Da sind Rechtspopulist:innen in den Parlamenten, die mit Angst vor Kontrollverlust auf Stimmenfang gehen. Das alles auf einmal ist ganz schön harte Kost, aber Kaisers macht es relativ leicht mit Beispielen und Hintergründen. Das Buch argumentiert, dass patriarchale Denkweisen in allen Formen des aktuellen Terrorismus genutzt werden oder zumindest mitschwingen, und dass gekränkte Anspruchshaltung die eigentliche Ursache ist. Mir fehlt am Ende ein wenig der Ausblick, das „und jetzt?“, fand das Buch sonst aber sehr interessant.

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Kintsugi – Miku-Sophie Kühmel

Kintsugi nennt man die Kunst, gebrochenes Porzellan mit Gold zu flicken. Es wird dadurch einzigartig. Die Idee, dies auf Menschen anzuwenden, ist nicht neu, aber ich mag sie. Schönes Konzept, okayes Buch. Wir folgen darin vier Personen, die gemeinsam ein paar Tage im Ferienhaus in der Uckermark verbringen. Wir hören mal mehr und mal weniger von den einzelnen Lebensgeschichten und an welchen Stellen die Personen jeweils schon „geflickt“ werden mussten. Ich will hier nicht zu viel verraten, aber so ganz kommt die Handlung nicht aus dem Quark. Es sind Probleme von Menschen, die sehr viel Geld mit Kunst verdienen oder gefeierter Archäologie-Professor sind. Oder eben deren Freunde. Das liest sich nett weg, hat aber in mir nicht viel bewegt.

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Galatea – Madeline Miller

Ich habe sowohl „Circe“ als auch „Das Lied des Achill“ von Madeline Miller 5 Sterne gegeben. Griechische Mythologie neu schreiben ist ihr Ding und das macht sie richtig gut. Ich habe schon Angst vor den ganzen neuen Romanen, die das jetzt auch versuchen, um auf den Trend aufzuspringen. Als etwas neues von Miller angekündigt wurde, wollte ich ungesehen zugreifen, habe dann aber zum Glück noch gemerkt, dass es nur eine Kurzgeschichte ist, die mit viel Tamtam für 20 € verkauft wird. Puh. Wie gut, dass es die Stadtbibliothek gibt. <3 Die Geschichte ist ein wenig überzeichnet: der Pygmalion-Mythos mal aus einer anderen Perspektive, von der Statue, die er zum Leben erweckt hat. Ich habe das Buch gern gelesen, weiß aber, wie viel besser Miller eigentlich in der langen Form ist.

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Verwirrnis – Christoph Hein

Ich hatte irgendwie lange keine Lust auf das Buch: Eine schwule Liebesgeschichte in der katholischen Kleinstadt, ein Leben in der DDR, eine dahinplätschernde Biografie. Aber ich muss mich korrigieren! Wie zärtlich diese Liebe sich entwickelt, ohne Klischee und so gefährlich. Wie aufregend das Student:innenleben in Leipziger Hörsälen und Wohngemeinschaften. Wir fahren mit dem Fahrrad an die Ostsee und entdecken uns selbst. Wir versuchen den Widerstand in einem Regime, das uns nicht will. Wir werden alt und gemütlich, aber wagen neue Abenteuer. Ein schönes Buch. Hätte gar nicht so lange in meinem Regal stehen müssen.

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