Lesemonat

Bücher im September (2021)

Herbst ist eigentlich Lesezeit, aber so richtig komme ich im Moment nicht rein. Könnte auch daran liegen, dass ich gerade keine neuen Bücher kaufe und deshalb alle Bücher, die ich hier habe, schlagartig langweilig sind. Haha, kennt man. Gut, dass es auch noch Rezensionsexemplare und die Stadtbibliothek gibt. Hier mein Lesemonat.


Krokodilwächter  buch

Krokodilwächter – Katrine Engberg

Wie startet man am besten in den Herbst? Ich wage mich mal an einen Krimi; etwas Spannendes und Blutiges, und es spielt auch noch in lovely Kopenhagen. So weit so gut. Ich habe das Buch tatsächlich schnell gelesen, weil das bei Krimis ja nunmal so ist, dass man immer wissen will, wie es weiter geht. Positiv: ich mochte die Geschichte. Das war immer wieder schön verwinkelt und auf Spannung geschrieben (auch wenn die Auflösung am Ende arg konstruiert ist, oder?). Was mich allerdings im Laufe des Buches immer mehr genervt hat, waren die langweiligen Figuren, die sich auch noch jedem Klischee bedienen, an das man so denken kann. Oft haben mich Dialoge und einzelne Szenen fragen lassen, ob die Autorin schon mal mit Menschen geredet hat oder hauptsächlich schlechte TV-Shows guckt. (Da beißt sich schon mal jemand „fest auf die Knöchel der geballten Faust“, weil er so verzweifelt ist. Wer macht sowas irl?) Ich bin jedenfalls gespannt, was echte Krimi-Leser*innen davon halten und hätte da gerne Feedback von euch. 

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orlando buch

Orlando – Virginia Woolf

Manche Rezensionen fallen mir leichter als andere. Ist ja logisch, aber diese hier finde ich besonders schwierig. Auf der einen Seite steht: Was für ein Buch, ich sehe die Perle vor mir! So gut geschrieben (wenn man die Sprache mag), so wunderbar meta, wenn Virginia Woolf im Text überlegt, wie man eine Biografie schreibt. Und dann auch dieser interessante Ansatz: Orlando ist ein junger Mann im 16. Jahrhundert. Wir lernen mit ihm sein adeliges Leben kennen, enttäuschte Lieben, enttäuschte Freundschaften. Dann passiert etwas Seltsames, was im Roman aber nicht weiter ungewöhnlich zu sein scheint. (und wer gar nicht gespoilert werden möchte, muss HIER AUFHÖREN ZU LESEN – ich denke aber, die meisten wissen grob, worum es in dem Buch geht.) Also: Irgendwann fällt Orlando in einen langen Schlaf und wacht als Frau wieder auf. Seltsam, aber ist halt so. Danach folgen wir ihr weiter in ihrem Leben, das Jahrhunderte überspannt und lauschen zusätzlich ihren Gedanken darüber, was Geschlecht ist und wo der Unterschied zwischen Mann und Frau im Privaten und in der Gesellschaft liegt. So weit, so großartig. Leider muss ich aber ehrlich sagen, dass ich bei der Lektüre sehr oft gelangweilt war und schon sehnsüchtig zum nächsten Buch auf meinem Lesestapel geschaut habe. Da der Geschlechterwechsel und die lange Lebenszeit einfach so hingenommen und nicht erklärt werden, fehlte mir auch ein bisschen der Handlungsbogen und die Spannung. But I guess, it’s me, not you. Ach ja, anmerken muss ich auch, dass im Buch immer wieder rassistische Sprache vorkommt. Das ist zwar in der Handlung selbst der Zeit geschuldet, aber die N*-Worte hätte man schon lange austauschen können, denn so alt ist diese Übersetzung hier nicht. 

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10. Dezember buch

Zehnter Dezember – George Saunders

George Saunders ist einer dieser Autoren, bei dem ich schon sehnsüchtig auf einen neuen Roman warte. Da das aber wohl noch dauert, habe ich mich mit einem Kurzgeschichtenband getröstet. Wie immer muss ich gestehen, Kurzgeschichten holen mich nicht so ab wie längere Texte – aber trotzdem mochte ich diese hier sehr. Die Geschichten sind originell, aber nicht over the top, oft lustig, noch öfter seltsam. Es geht viel um gesellschaftliche Erwartungen, und die Frage, ob wir diese erfüllen wollen. Für zwischendurch also ein schönes Buch – jetzt hätte ich aber gerne wieder mehr. 

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der Himmel vor hundert jahren buch

Der Himmel vor hundert Jahren – Yulia Marfutova

{Presseexemplar} Ich hatte das Buch schon auf meiner Wunschliste. Als es dann auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises kam, konnte ich das Lesen nicht mehr aufschieben. Die Story ist einfach: Es ist ungefähr 1918, tief im russischen Hinterland, wo Nachrichten nicht ankommen. Ob also gerade Krieg ist oder Revolutionen stattfinden, bekommen die Bewohner gar nicht mit. Es ist auch viel zu interessant, was sonst in ihrem Dorf passiert. Da ist zum Beispiel Ilja, der ein Röhrchen hat, mit dem er das Wetter vorhersagen kann. Oder Pjotr, der sich lieber traditionell an die Flussgeister hält. Als dann ein junger Mann in Uniform ins Dorf kommt, wird der Alltag durcheinander gewirbelt. Das Besondere an dem Buch ist nicht die Geschichte, die allein schon unterhaltsam genug ist, denn hier sehen wir die Konkurrenz von Fortschritt und Tradition, von Autorität und Selbstbestimmtheit. Begeistert hat mich das Buch durch den Schreibstil der Autorin, der mich fast hypnotisch in den Text hineingezogen hat. Sie spielt mit Worten, lässt sie sich entfalten und betont durch Wiederholungen, worauf sie eigentlich hinaus will. Das hört sich experimentell an, unterstreicht aber stattdessen die Atmosphäre. Am Ende hätte ich es gerne nicht so abrupt gehabt, aber schlimm war das auch nicht. 

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