Meine Woche: Marienkäfer-Invasion

Die Jahreszeiten verschieben sich gerade alle ein bisschen, oder? Es ist Ende Oktober und das Wetter ist herrlich sonnig. Letzte Woche habe ich in Unterwäsche im Englischen Garten in München gelegen. 

Das hat eigentlich nichts mit der Geschichte zu tun, die ich heute erzählen will, aber immer wenn es kalt um die Häuser zieht, man ganz langsam den Winter spürt und aus Reflex das Gesicht in die letzten Sonnenstrahlen hält, muss ich an meine Marienkäfer-Invasion denken.

Vor über 10 Jahren habe ich in einer Agentur gearbeitet. Ich war wieder back in Cologne, hatte zu wenig Geld, aber endlich meine erste ganz eigene Wohnung. Es war herrlich. 

Eines Abends, ich wollte gerade ins Bett krabbeln, saßen plötzlich zwei Marienkäfer auf meiner Fensterbank. „Ach, wie süß“, dachte ich und brachte sie raus. Als ich wieder ins Zimmer kam, saßen da zwei neue. So ging das noch zweimal, bis ich mich wunderte und mir Sorgen machte. Hatte ich irgendwo ein „Nest“? Gibt es sowas, ein Marienkäfer-Nest? Vielleicht war eine kleine Kolonie bei mir eingezogen. Ich suchte also mein Schlafzimmer ab, fand aber nichts. Seltsam. 

Nach einer Nacht mit wenig Schlaf stand ich morgens in der Küche, trank Kaffee und freute mich über einen schönen, sonnigen Herbsttag – nach ein paar ersten, kalten Tagen und vor allem Nächten. Also wollte ich noch mal kurz lüften und dann in die Agentur düsen, also ich sie sah.

In meinem Fensterrahmen saßen hunderte Marienkäfer. So viele habe ich noch nie auf einmal gesehen. Ich machte das Fenster also wieder zu und hyperventilierte. Was machten die alle in meinem Fenster und wie waren die da rein gekommen? Nach kurzer Panik war aber viel wichtiger: Wie bekomme ich die da wieder raus???

Mein erster Versuch mit Handfeger und Kehrschaufel ging schief. Ein paar fielen zu Boden und gleichzeitig fing es an zu stinken. Was ich da gelernt habe: Wenn Marienkäfer Angst haben, scheiden sie eine Flüssigkeit aus, die sehr unangenehm riecht. Bei einem ist das nicht so schlimm, wenn das aber 500 Käfer gleichzeitig machen, wird einem schon anders. 

Ich machte das Fenster also wieder zu und hatte noch ein bisschen Panik. Das mache ich noch heute so. 🙂 Dann rief ich in der Agentur an und sagte, dass ich heute später komme, weil ich Marienkäfer in der Wohnung habe. Weil ich Fotos gemacht hatte, konnte ich das später auch erklären. 

Was ich heute weiß: Wenn es draußen kalt wird, suchen Marienkäfer sich einen Ort, der sie warm hält. Da die Fenster meines Schlaf- und Wohnzimmers nach Süden zeigen, ist die Wand nach einem sonnigen Tag schön warm. Und genau dahin zieht es die Käfer, wenn die kalte Herbstnacht beginnt. Da quetschen sie sich dann auch durch die kleinste Ritze und machen es sich zu Hunderten bequem. Weil meine Altbaufenster alt sind, kommen die da ganz gut rein.

Meine Rettung an diesem Morgen war natürlich meine Mutter. Es hat schon Vorteile, wenn man in die Stadt zurückzieht, in der man aufgewachsen ist. Nach dem „Oh nein, was soll ich bloß tun“-Anruf, schnappte sie sich ihren Staubsauger und kam zu Hilfe. (Entweder hatte ich damals keinen oder einen, bei dem man den Fuß nicht abnehmen konnte, keine Ahnung.) Gemeinsam haben wir alle Marienkäfer ein- und aufgesaugt. Das hat schlimm gestunken, aber war auch schnell vorbei. Ich habe keine Ahnung, wo sie die danach entsorgt hat; die letzten Ausreißer in der Wohnung konnte ich dann selbst wieder in die Freiheit entlassen. 

Und das schöne an solchen Geschichten ist: Noch heute bekomme ich von Verwandten und Bekannten Bilder von Marienkäfer-Invasionen geschickt oder man warnt mich, wenn irgendwo einer in meiner Nähe sitzt. Süß finde ich sie wirklich nicht mehr. Und jedes Jahr im Oktober, wenn es kalt wird, kontrolliere ich täglich meine Fenster und zeige den Käfern den Weg nach draußen. 


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