Gelesen im September (2020)

Ich bin so lahm gerade und komme zu nichts. Die neue Corona-Welle drückt mir, auch wenn es erwartet war, noch viel mehr als ich dachte auf’s Hirn. Wie gut, dass ich im September noch im Urlaub war und bei totaler Entspannung ganz, ganz viel lesen konnte. Mit dabei sind diesmal zwei Bücher von der Longlist des Deutschen Buchpreises, Bücher für ganz unterschiedliche Leserinnen und eine Enttäuschung.


Take That – Anja Rützel

{Presseexemplar} Ich war nie eines der Take-That-Mädchen. Während andere von Robbie oder Marc schwärmten, habe ich Die Ärzte gehört. Trotzdem kann ich so gut wie jede Single auswendig und hatte immer schon Menschen lieb, die schwärmen können. Besonders für Musik. Die Kiwi Musikbibliothek mag ich genau aus diesem Grund besonders gerne, weil hier ein paar Verrückte zusammen kommen, um zu schwärmen. Die Bücher kann ich immer empfehlen. Das Buch hier ist allerdings nicht mein liebstes aus der Reihe (Das bleibt „Frank Ocean). Es ist zwar lustig geschrieben und ich hatte ganz schnell ganz viele Ohrwürmer im Kopf, aber ich wollte mehr Schwärmerei und weniger Biografie der einzelnen Take Thatter. Für echte Fans von damals ist es aber genau das Richtige – ich habe es schon an eine Freundin weitergegeben. 

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Alte Sorten – Ewald Arenz

Sally ist aus einer Klinik ausgebrochen, trifft die allein lebende Bäuerin Liz und zieht kurzerhand bei ihr ein. Zwischen den zwei groben und ungleichen Frauen entsteht langsam eine Freundschaft. „Alte Sorten“ ist eine schöne Herbstgeschichte. Man riecht die feuchte Ackererde, schmeckt die alten Birnensorten, sieht den Nebel über dem Dorf wabern. Ich mochte sehr, wie intensiv man in das Buch hineingezogen wird und habe es in zwei Tagen weggelesen. Mich haben aber auch ein paar Sachen gestört: Die Story ist zwar intensiv, aber auch recht banal und greift viel zu oft auf einfache Schockmomente zurück. Und so schön dieses ganze Landleben auch zu lesen ist, ist das auch recht unrealistischer Kitsch, von der schnellen Kartoffelernte bis zur fröhlichen Weinlese. Ich habe das Buch trotzdem gerne gelesen und kann es für die schöne Herbststimmung empfehlen.

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Sprache und Sein – Kübra Gümüsay

{Presseexemplar} Ich bin hin und her gerissen von dem Buch. Zum einen: Ja! Wunderbar, wie es andere Perspektiven nachvollziehbar macht. Wie es auf Mauern hinweist, die wir nicht sehen. Wie es Beispiele findet für alltägliche Diskriminierungen. Und zum anderen: ich hatte mehr erwartet. Ich wollte besser verstehen, wie Sprache unsere Welt aufbaut und einreißt. Zwar finden sich Diskussionen dazu in allen Teilen des Buches, aber für mich war das nicht strukturiert genug. Das kam viel zu oft vom Weg ab (obwohl es dort auch immer spannende Sachen zu entdecken gab.) 

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Hundert Augen – Samanta Schweblin

Das hier ist eines dieser Bücher, die einem nicht häufig begegnen. Ich war völlig fasziniert und gleichzeitig immer wieder unsicher, was mir das Buch eigentlich erzählen wollte. Die Handlung: in der nahen Zukunft gibt es ein neues „Trendspielzeug“, die Kentukis. Dies sind Plüschtiere, die komplett ausgestattet mit Kamera, Mikrofon und Rollen zur Fortbewegung als Haustierersatz gehalten werden. Für jedes Kentuki gibt es einen Herren und ein Wesen, d.h. eine Person, die das Spielzeug besitzt und beobachtet wird, und eine Person, die das Spielzeug steuert und beobachtet. Im Normalfall lernen die beiden sich nie kennen. Das Phänomen der Kentukis erkunden wir über ein paar kleine private Geschichten: eine ältere Dame taucht in das Leben einer jungen Frau ein, ein geschiedener Vater kümmert sich mit dem Kentuki zusammen um seinen Sohn … Dabei stellt sich nie die Frage nach dem Warum. Trends kommen und gehen. Ob wir das gutheißen, müssen wir selbst entscheiden. Stattdessen stellen sich in den Geschichten Fragen nach Privatheit, Legalität, Einsamkeit, Technologie und vielem mehr. Ein ungewöhnliches Buch, dass ich sehr empfehlen kann.

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Das kurze und wundersame Leben des Oscar Wao – Junot Diaz

Ok, das Buch hat den Pulitzer Preis gewonnen und wurde mir von mehreren Leuten empfohlen. Aber: I don‘t get it. Der titelgebende Oscar ist ein nerdiger, dicker Amerikaner, dessen Familie aus der Dominikanischen Republik kommt. Von ihm erfahren wir aber eigentlich nur, dass er fett ist und deshalb nicht an Frauen rankommt (gähn). Bestimmt zwei Drittel des Buches handeln von anderen Familienmitgliedern, ihrem Leben in der Dominikanischen Republik und dem „fuku“, dem angeblichen Familienfluch. Das hätte alles spannend sein können, wenn das Buch nicht voller Sexismus und allem drum herum wäre. Frauen sind darin eigentlich nur interessant, wenn die Figur stimmt. Mit der Liebe klappt‘s nicht, weil alle Creeps sind. Für mich eine Enttäuschung.

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{Presseexemplar} Ein herrlich poetisches Buch. Man kann sich fallen lassen in die kreativen Metaphern und dichte Sprachmelodie. Das hat mich sehr begeistert. Die Geschichte selbst spielt in Österreich bei einer Bauernfamilie. Die Protagonistin ist die jüngste Tochter und fühlt sich von ihrer Familie unverstanden und ausgeschlossen. Ich mochte besonders, wenn man trotz der beschriebenen Negativität die Liebe spürt, die zwischendurch aufblitzt. Im Kapitel über den Uropa zum Beispiel, oder wenn die Erzählerin mit dem Vater einkaufen fährt. Leider lässt das Buch ab der Hälfte nach. Da sind es nicht mehr die stillen Alltagsbeobachtungen ohne viel Handlung, sondern viel, viel Drama. Das passte für mich nicht. Da kam es mir vor, als wollte die Autorin viel zu viel. Besonders beim Ende musste ich hart mit den Augen rollen. Ein Tipp also für die Sprachgewalt, für die Handlung eher nicht.

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Malé – Roman Ehrlich

{Presseexemplar} Düster ist es in Malé, dreckig und rau. In der ehemaligen Hauptstadt der Malediven, die es in diesem Zukunftsszenario gar nicht mehr gibt, weil Klimawandel und Umweltkatastrophen alles zerstört haben, treffen sich die Außenseiter der Gesellschaft. Hier ist man unter sich, hier gibt es nichts zu tun. Das Szenario hat mich aufgesogen: gefährliche Wasser, seltsame Menschen, düstere Abenteuer. Die Story hat mich dafür nicht ganz so mitgerissen. War es am Anfang noch ein Suchen nach zwei vermissten Personen, wurden es mehr und mehr nur Charakterbeschreibungen der einzelnen Aussteiger. Wie sie ohne Ziel. Ich empfehle das Buch trotzdem für die ungewöhnliche Stimmung und die Beschreibung der Welt.

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