Ein schwieriger Monat für mich, aber ich hatte viel Zeit zum Lesen. Literarisch kann ich mich nicht beklagen, da ist sicher auch ein Buch für das Best of am Ende dabei.
(Die Titel sind als Affiliate-Links zu Amazon verlinkt (*). Dazu habe ich „normale“ Links zu den Verlagen eingefügt.)
We have always lived in the castle – Shirley Jackson
Hier bei Amazon* (deutsch, erscheint im Juni) / (englisch*)
Hier beim Verlag (deutsch)
In den zu Beginn noch recht dunklen März bin ich mit einer kleinen, gruseligen Geschichte getreten. Kein Horror, eher so ein unheimlicher Unterton, der zu Beginn unter allem liegt. (Aber ja, natürlich habe ich die Penguin Classics Ausgabe vor mir und sehe an dem Cover schon, dass das hier alles nicht mit rechten Dingen zugehen kann.) Fast wie im Märchen folgen wir Merricat und ihrer großen Schwester Constance, die gemeinsam mit ihrem Onkel in ihrem großen, abgelegenen Haus am Dorfrand leben. Schnell wird klar, dass die drei ein schlimmes und mysteriöses Familienunglück überlebt haben und lieber für sich bleiben. Besonders, da die Dorfbewohner sie schlecht behandeln und ausstoßen. Doch dann kommt jemand neues in die kleine Gemeinschaft, es passiert etwas und Merricat und ihre Schwester müssen sich einer neuen Ausgangssituation stellen. 5 dicke Sterne für Shirley Jackson, die mich auf wenigen Seiten durch Freude, Angst, Trauer, Grusel und so viel mehr geleitet hat. We have always lived in the Castle ist eine Geschichte über Unsicherheit, Schuld, Emanzipation und Familie. Ich mochte jede Seite und will jetzt unbedingt mehr Shirley Jackson lesen. Meine schöne Version scheint es gerade nicht zu geben, ich verlinke euch oben auch mal eine deutsche Variante.
Alte, weiße Männer. Ein Schlichtungsversuch – Sophie Passmann
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{Presseexemplar} Der „alte weiße Mann“ ist ein abstraktes Feindbild, mit dem Menschen beschreiben, was mit der Welt nicht in Ordnung ist. In kurz: Er schwelgt in seinen Privilegien, ohne sie anzuerkennen, und macht die Welt zu einem schlechteren Ort. Sophie Passmann versucht in diesem kurzweiligen Buch herauszufinden, wer der „alte weiße Mann“ denn genau ist bzw. eher noch, wie man zu einem wird und das vielleicht noch verhindern kann. Dafür spricht sie mit verschiedenen mehr oder weniger bekannten Herren der deutschen Politik- und Medienlandschaft, die ihr oft lange und umständlich erklären, warum der Begriff auf sie zutrifft oder nicht. Interessant ist dabei, wie ungern sich diese Männer in eine Gruppe stecken lassen, während gleichzeitig über „die Frauen“, „die Queeren“ oder „die Migranten“ geredet wird. Schlau und unterhaltsam kommentiert Sophie die Argumentationen und verdeutlicht dabei mit jeder Menge Ironie einige Grundideen des Feminismus. Kann ich sehr empfehlen. (Und ja, ich verstehe manche Kritik am Buch, denke aber nicht, dass das, was dem Buch vorgeworfen wird, überhaupt die Intention der Autorin war. Aber das ist eine andere Geschichte.)
Exit West – Mohsin Hamid
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Ein Buch über Wege, ein Buch über das Flüchten und sich selbst finden. Es kommt zum Bürgerkrieg in einem nicht näher bestimmten Land. Nadia und Saeed sind ein modernes Paar, sie finden sich und verlieben sich ineinander und erkennen dann, dass ihnen für eine Zukunft nur die Flucht bleibt. Gleichzeitig tun sich in der ganzen Welt mysteriöse Türen auf, schwarze Durchgänge in Hauseingängen und Schrankwänden, die verschiedene Teile der Welt miteinander verbinden. In wenigen Jahren wird die Welt eine andere, denn wo Migration kaum mehr eine Hürde darstellt, müssen Staaten andere Wege finden als Abschotten und Ignorieren.
Sprachlich konnte mich Mohsin Hamid insgesamt nicht so ganz überzeugen, zu lang die Sätze, zu viele verwobene Gedanken. Dann aber passt das eigentlich doch zur Geschichte, die fast poetisch von einem Lebensweg berichtet. Einem persönlichen, denn es ist eine Liebesgeschichte, die jede*r nachvollziehen kann, und einem politischen, denn hier geht es um eine Flucht aus einem Kriegsgebiet bis hin in eine utopische neue Welt.
Die Knochenuhren – David Mitchell
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David Mitchell spielt in seinen Büchern gerne mit verschiedenen Schreibstilen und mag episodenhafte Geschichten. Nachdem ich vor ein paar Jahren „Slade House“ gelesen hatte und das Buch sehr mochte, habe ich mich jetzt auch an die dicke Variante gewagt. Auf über 800 Seiten bekommen wir hier ein Jugendbuch, ein bisschen Verbrechen, eine Fantasy-Episode und eine Dystopie, und das alles fügt sich von Kapitel zu Kapitel nahtlos zusammen. Insgesamt ist es der Lebensweg von Holly Sykes, die nach und nach hinter ein großes Geheimnis in der Welt kommt. Nur im ersten und letzten Kapitel nehmen wir dabei ihre eigene Perspektive ein, bei dem Rest müssen wir sie in Kapiteln von anderen Personen erst entdecken. Obwohl so viel passiert und die Ereignisse sich überschlagen, bleibt das alles dennoch verständlich. Schlechtere Autoren wären da nicht mehr mitgekommen.
Mir war das Buch gelegentlich dann doch ein bisschen zu langatmig (und an anderen Stellen wieder nicht ganz auserzählt). Auf den „Wolkenatlas“ habe ich noch immer keine Lust, aber vielleicht lese ich jetzt „Slade House“ noch mal.
Aus dem Dachsbau – Dirk von Lowtzow
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{Presseexemplar} Dies ist keine Autobiografie und auch keine Kurzgeschichtensammlung. Dieses kleine Buch ist ein Abtauchen in die Gedankenwelt und Erinnerungen von Dirk von Lowtzow, dem Sänger von Tocotronic, und hier befindet sich für die meisten Leser wohl auch schon der Knackpunkt. Denn entweder man mag die Texte und den Stil oder man kann ihn nicht leiden. Offenbar gibt es da keine Zwischentöne.
Als ich „Digital ist besser“ für mich entdeckte, begannen die Hormone in mir zu kitzeln und alle Jungs in komischen Sportjacken waren plötzlich EIN TRAUM. Es ist also nicht schwer, mich mit diesem Buch zu überzeugen.
Trotzdem: Wer da auf meiner Seite steht und überhaupt kurze Texte über alltägliche Momente mag, wird hier ein bisschen schweben. Man fährt Zug mit Dirk, man raucht viel auf dem Balkon, geht spazieren, vermisst alte Freunde. Braucht man das? Nein. Möchte man sich das unter das Kopfkissen legen und immer zur Hand haben? Ja, bitte.
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