Buchtipp: Adam Johnson – Das geraubte Leben des Waisen Jun Do

Pünktlich zum neuen Jahr gibt es hier einen Buchtipp von mir. Mit zwei Daumen nach oben.
Wie ich außerdem nach dem Lesen erfahren habe, hat “Das geraubte Leben des Waisen Jun Do” den Pulizerpreis 2013 gewonnen. Bin ich für.

Das Buch ist die Lebensgeschichte des Protagonisten Pak Jun Do, einem nicht ganz Waisenjungen aus Nordkorea. In dem totalitären, nordkoreanischen Regime, das vollständig auf Propaganda gebaut ist, ist auch in der Geschichte nicht immer klar, was stimmt und was nicht. Außer Jun Do gibt es noch zwei weitere Erzähler, einen Vernehmungsspezialisten und die Erzählstimme der Lautsprecherdurchsagen des Regimes, die oberflächlich gesehen der eigentlichen Geschichte widersprechen. Das hört sich verwirrend an, ja, und das Buch ist auch nichts für jemanden, der einfach schnell ein bisschen was runterlesen will. Aber die Mühe lohnt sich.

Autor Adam Johnson hat jahrelang für das Buch recherchiert. Er hat sich “offizielle” Aussagen angehört und mit vielen Flüchtlingen gesprochen. Aus diesen ungefilterten Darstellungen, die das Elend und die Lebensumstände in Nordkorea beschreiben, hat er die Figur Pak Jun Do und seine Geschichte gebastelt. Was darin auf echten Lebensgeschichten beruht und was der Fantasie des Autors entspringt, sagt Johnson nicht. Und das passt auch wieder zu diesem auf gruselige Art faszinierenden Land.

Ihr solltet euch mal ein paar der Dokus auf YouTube ansehen (was ich nach dem Buch gemacht habe): Nordkorea ist abgeschottet. Besucher werden von Reiseführern begleitet und zu Orten geführt, bei denen alle Anwesenden ihre vorgefertigten Rollen spielen. Es geht immer um ein Bild, das transportiert werden soll, und es ist sehr schwer, die Menschen hinter diesen Rollen kennenzulernen.

In “Das geraubte Leben des Waisen Jun Do” machen wir uns zusammen mit Jun Do auf die Reise durch Nordkorea auf verschiedenen Stationen, bei denen man beim Lesen nicht glaubt, dass das möglich ist. Seine Welt wirkt aus unserer westlichen Sicht natürlich absurd, aber die harmlosen kulturellen Unterschiede wie der Umgang mit Haustieren oder die Auswahl an Filmen werden überschattet von Grausamkeit, Lügen, Angst und Hoffnungslosigkeit.
In dem Buch geht es viel um Identität. Wo jeder Mensch auswechselbar ist, stellt sich Jun Do wiederholt die Frage, wer er ist. Waise? Fischer? General? Jede Lüge wird ihm immer wieder zum Verhängnis – gleichzeitig retten sie ihm auch immer wieder das Leben. Auch sonst: Was in diesem Regime stimmt und was nicht, weiß niemand mehr so genau. Alle leben in und mit ihrer zum teil selbst aufgebauten Scheinwelt.

Auch wenn euch das Thema Nordkorea nicht so sehr interessiert – das Buch ist fantastisch erzählt. Es ist ein Spionage-Thriller, eine Liebesgeschichte, ein Überlebenskampf, eine Komödie, ein Abenteuer und besonders eine Erwachsenwerden-Geschichte.

Hier könnt ihr euch das Buch bei Amazon ansehen (Affiliate-Link):
Das geraubte Leben des Waisen Jun Do: Roman

Kommentare
    1. Oh, danke für den Link. Ich kenne bisher niemand, der das Buch auch gelesen hat. Mit den Charakteren gebe ich dir recht . Ich habe auch etwas gebraucht, um rein zu kommen. Am Ende waren es auch weniger die Charaktere als die Thematik und die Situationen, die mich noch weiter beschäftigt haben. Aber gerade weil das Buch so lange bei mir hängen geblieben ist, kann ich es nur empfehlen.

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