Manchmal komme ich zu spät, naja, “manchmal”. Verschiedene Gründe hatten diese Woche zur Folge, dass ich noch in der U-Bahn stand, als Archive im E-Werk ihren ersten Ton spielten.
Schon schlimm genug, dass ich den Vorfilm verpasst habe. Ja, richtig gelesen, Archive haben keine Musiker eingeladen, sondern nehmen das Anheizen der Menge gleich selbst in die Hand. Sie zeigen ihren Konzeptfilm “Axiom”, der die Grundlage ihres letzten Albums war.
Archive ist jedenfalls schwere Kost, das muss man schon am Anfang klarstellen. Aber welcher “Ich geh mal auf ein Konzert, weil ich das Lied aus dem Radio kenne”-Mensch geht auch schon zu Archive? Das E-Werk ist jedenfalls nicht voll. Vielleicht 1500 Leute sind da.
Ich bin kein Archive-Profi. Um ehrlich zu sein, habe ich keine Ahnung von Archive und kenne vielleicht fünf Lieder. Und von der Hälfte davon weiß ich den Namen nicht. (Aber das ist ja kein Problem, schließlich muss ich die Songs ja nicht spielen.)
Nachdem ich also mit viel “Danke!” viel zu spät mit der Kamera eingelassen werde, kann ich noch ein Lied fotografieren, darf mich dann aber in die Menge mischen und zusehen.
Archive – das ist eine Mischung aus Triphop und Progressive-Rock. Das sind viele Menschen auf der Bühne. Wie viele das sind, wer da oben der Chef oder überhaupt “der Sänger” ist, das ändert sich ständig. Das ist aber auch gar nicht so wichtig, denn hier ist ganz klar: Archive sind ein Kollektiv. Die Bühne ist so gut wie immer dunkel, im Spot ist immer der- oder diejenige, die gerade etwas spannendes zu tun hat. Mal Gesang, mal Schlagzeug, wer auch immer. Am linken Bühnenrand stampft jemand derweil den Takt, oder schmeißt die Arme in die Luft, er dirigiert das Schauspiel.
Meine Begleitung ist ganz klar für die langsamen Stücke an diesem Abend: “Black and Blue”, “Sleep”, “End of our days”. Letzteres vom neuen Album hat es auch mir angetan. Ich mag es aber auch, wenn alles dröhnt und kracht oder minutenlang niemand ans Mikro tritt. “Violently” ist toll. Der Sound erfüllt die Halle, kriecht unter uns hindurch und hebt uns hoch in die Schwebe.
Archive verlangen volle Aufmerksamkeit. Das ist kein Konzert, sie spielen ein Stück. Nicht mitmachen, zugucken. Sie unterhalten nicht, sie fordern. Das ist mitunter anstrengend, aber auf die gute Art. Man schaut und hört und bewegt sich ein bisschen. Aber eigentlich zieht man sich in seinen eigenen Kopf zurück.
Einige der Zuschauer halten das keine zwei Stunden durch. Die Guten gehen mal kurz vor die Tür und gönnen ihrem Kopf eine Pause, die Schlechten unterhalten sich laut über Grippeviren und Tarifverträge. Auch ich bin richtig müde nach dem Konzert.
Manchmal komme ich also zu spät. Nicht nur zum Konzert, sondern auch zu Bands an sich. Auf Platte konnte ich mit Archive noch nie so viel anfangen, das werde ich aber jetzt dringend noch mal überprüfen. Also Spotify an und Kopfhörer auf.